Märchen

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König Drosselbart

Brüder Grimm

Ein König hatte eine Tochter, die sehr schön, aber auch sehr stolz und übermütig war. Die Männer hielten reihenweise um ihre Hand an, doch sie wies sie alle ab und verspottete sie. Der eine war ihr zu dick, der andere zu klein, der nächste zu blass. Ganz besonders machte sie sich über einen König lustig, dem das Kinn krumm gewachsen war. „Der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel“, lachte sie und seither wurde er Drosselbart genannt.

Der alte König aber wollte seine Tochter unbedingt verheiraten, und so schwor er zornig, sie an den nächstbesten Bettelmann zu verheiraten, der vor der Türe stand.

Bald darauf hörte der König einen Spielmann unter dem Fenster singen und ließ ihn hereinkommen. Diesem gab er seine Tochter zur Frau. Die Königstochter erschrak, aber der König sagte, er hätte es nun mal geschworen. So wurde sie mit dem zerlumpten Spielmann getraut. Anschließend schickte der König seine Tochter fort, damit sie bei ihrem Mann lebe, wie es sich gehöre.

Sie ging mit dem Bettelmann zu Fuß fort. Als sie in einen großen Wald kamen, fragte sie: „Ach, wem gehört der schöne Wald?“ – „Der gehört dem König Drosselbart;
hättest du ihn genommen, so wäre er dein“, bekam sie zur Antwort.

Dann kamen sie über eine Wiese und durch eine große Stadt. Jedes Mal antwortete der Spielmann auf ihre Frage: das alles gehöre dem König Drosselbart. Die Königstochter wünschte, sie hätte doch den König Drosselbart genommen. Das wollte dem Spielmann nicht gefallen.

Er führte sie zu einem winzigen elenden Häuschen, in dem sie fortan mit ihm leben sollte. Es gab keine Diener, und so musste die Königstochter alles selber machen, Feuer entfachen und kochen. Doch das ging ihr schlecht von der Hand. Beim Spinnen und Körbeflechten schnitt sie sich in die zarten Hände. Schließlich schickte der Spielmann sie auf den Markt, um dort Töpfe und Geschirr zu verkaufen. Das war der Königstochter unangenehm, doch die Leute kauften der schönen Frau gern ihre Ware ab und bezahlten sogar zu viel.

Eines Tages, als sie wieder auf dem Markt saß, kam plötzlich ein betrunkener Husar angeritten und stieß alle Töpfe um, dass sie in tausend Scherben zersprangen. Die Königstochter fing an zu weinen, lief heim und erzählte ihrem Mann das Unglück. Dieser sagte, sie könne in seines Königs Schloss als Küchenmagd arbeiten, dafür bekäme sie freies Essen.

Nun musste die Königstochter in der Schlossküche schwer arbeiten. In ihren Taschen hatte sie ein Töpfchen, darin brachte sie Essensreste nach Hause. Eines Tages wurde im Schloss ein großes Fest gefeiert. Die arme Frau sah dabei zu und dachte betrübt an ihr Schicksal. Ab und zu gaben Diener ihr ein paar Brocken von dem köstlichen Essen, das sie in ihr Töpfchen tat.

Als sie gerade gehen wollte, trat auf einmal der Königssohn auf sie zu und ergriff ihre Hand, um mit ihr zu tanzen. Sie erschrak, denn es war der König Drosselbart, den sie damals mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie auf die Tanzfläche. Da rissen ihre Taschen und das Essen fiel heraus, dass die Suppe floss und die Brocken umhersprangen.

Alle lachten und spotteten, und die Königstochter war fürchterlich beschämt. Sie wollte entfliehen, doch der König Drosselbart hielt sie auf. Er gestand ihr, dass er der Spielmann gewesen war und auch der Husar. Das alles war geschehen, weil sie hochmütig gewesen sei und ihn verspottet habe. Das tat der Königstochter furchtbar leid. Nun bekam sie prächtige Kleider und alle feierten ihre Hochzeit mit dem König Drosselbart. Nach dem Fest lebten sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.